An die Bermatinger und Ahauser
Straßenbaufreunde
Bisher nicht öffentlich diskutierte
Fakten, Trends und Meinungen zum Straßenbau :
( gesammelt von W.Jürgensmeyer ,
letzte Aktualisierung : 29.12.02 )
1. Abnahme der Bevölkerung
Unsere Bevölkerung im Bodenseekreis nimmt bis zum Jahr 2020 bei Altersgruppen
unter 40 Jahren um bis zu 30% ab - bei gleichzeitiger Überalterung ( z.B.
bis +69% für 75-85 Jährige ). Jedenfalls wird von den fahraktiven Jahrgängen
dadurch deutlich weniger gefahren weil wir im Bodenseekreis bereits an der
KFZ-Sättigungsgrenze liegen ( heute „mehr als 705 PKW /1000 Einwohner in der
Region Bodensee-Oberschwaben“ lt. RegPräs in der Einführung zur UVS zum Planfall
7 von 1999 oder „580 heute“ und „600 in 2010“ im Vortrag Modus Consult am
3.12.02 vor dem Gemeinderat in Salem ; den Widerspruch in den Zahlen sollten
die beamteten Planer selbst erläutern ). Laut aktueller Prognose für den Bodenseekreis
vom statistischen Landesamt, Stand 28.6.02., setzt die rapide, progressive
Bevölkerungsabnahme ab 2010 ein, dem Zeitpunkt, zu dem eine Bermatinger Ortsumfahrung
frühestens befahrbar sein kann. Sie dient ja angeblich nur dem Regionalverkehr.
2. Überalterung
Nach H.Birg sehen wir einem Schrumpfungs- und Überalterungsprozess entgegen,
„... der für die Zeit ab 2010 ..... Verwerfungen mit sich bringen wird, die
unsere heutige Vorstellungskraft weit übersteigen.“ usw.; s. World Population
Projection for the 21st Cetury und IBS der Uni Bielefeld 1998
3. Verkehrsleistung/Kopf stagniert
Seit 1995 stagniert die Verkehrsleistung pro Kopf und liegt seitdem bei 38-40
km pro Person und Tag; s. regelmäßige BMVBW-Veröffentlichung und „Mainauer
Mobilitätsgespräch 2002, www.ifv.uni-karlsruhe.de/IFV-Report
Übersicht
aus den Veröffentlichungen des Institutes für Verkehrswesen“. Zusätzlich
beginnen in Europa langsam die PKW-Zulassungszahlen zu sinken (-6% im ersten
Halbjahr 02 gegenüber 01 allein im Autoland BRD), s. Statistik Flensburg
und VDI.
4. Straßenzubau stoppen
These nach Prof. Dr.-Ing. Zumkeller, Universität Karlsruhe beim Mainauer Mobilitätsgespräch
im Sommer 2002 : „Nach einer Dekade der ´Sonderentwicklung Vereinigung´ werden
erste Wirkungen der demografischen Veränderungen so deutlich, dass insgesamt
eine Arrondierung (d.h. Abrundung) der Verkehrsinfrastruktur auf heutigem
Niveau nahe liegt“. Es lohnt sich, über Umbau statt Ausbau der bestehenden
Verkehrs-Infrastruktur nachzudenken; d.h., auch hier wird von Sachkundigen
vor überflüssigem Straßenbau gewarnt.
5. Prognose-Chaos
In der mühevollen Analyse und Gegenüberstellung von Verkehrsprognosen einiger
Jahre, die mehrheitlich aus dem gleichen Büro kommen ( Modus Consult, Ulm
), ist keine einheitliche Linie erkennbar. Als Quelle dienten Verkehrsuntersuchungen
für die Gemeinden Salem, Markdorf, das Straßenbauamt und das Regierungspräsidium.
Weder wurden einheitliche Steigerungsraten angenommen, noch gibt es für unseren
Raum gleichzeitig durchgeführte Verkehrszählungen mit Befragungen Woher-Wohin.
Als Ergebnis kommt dann u.a. für den Fall ohne Straßenneubau heraus, dass
die L205 östlich Bermatingen heute einen DTV von 13500 hat, 2010 von 17500
und westlich Bermatingen von 11300 in 2020. ( DTV = durchschnittlicher Verkehr
im Jahresmittel an einem Standardtag .) Real fahren heute 11 000 KFZ auf der
L205 östlich Bermatingen - einschließlich Umleitungsverkehr wegen der gesperrten
L204 im Deggenhausertal. Vermutlich wird je nach Bedarf mit überhöhten Prognosen
Straßenbau-Bedarf begründet. Der frühere Chef dieses Büros war Prof. Schächterle,
der schon die Bodensee-Autobahn mitgeplant hat und der sich als südbadischer
ADAC-Präside weit weit aus dem Fenster gelehnt hat und massiv für überzogenen
Straßenneubau geworben hat. Für Untersuchungen zum zukünftigen Verkehrsverbund
sollte zusätzlich ein weniger befangenes Büro mitbeauftragt werden.
Noch in einer Information am 3.12.02 vor dem Salemer Gemeinderat wurde das
Transitaufkommen im Bodenseeraum von Herrn Siebrand von Motor Consult als
unbedeutend dargestellt. Glauben Sie ernsthaft, dass das heutige Transit-Verkehrsaufkommen
im Bodenseekreis stagniert, wenn wir ihm bessere Straßen anbieten? Es ist
im Gegenteil so, dass dieser Transitverkehr sofort jede neue Möglichkeit für
Ost-West-Bewegungen im EU-Gebiet nördlich der Alpen annimmt - und auch diese
Straßen wiederum überlastet. Ohne P7.5 wird eine Ortsumfahrung Markdorf/Bermatingen
in wenigen Jahren mit über 20 000 KFZ überlastet, schrieb schon 2001 das Straßenbauamt
Überlingen in ein Protokoll der Planungsgruppe für die Ortsumfahrungen Markdorf/Bermatingen.
Und MdB Schockenhoff verkündete dazu zeitnah, dass es sicher noch 40 Jahre
dauern würde, bis der Planfall 7.5 realisiert würde.
6. Zwei Verkehrsströme auf der Markdorfer Südumfahrung oder
Warum dem Regierungs Präsidium die Hinterlandtrasse so wichtig ist
Auf der Südumfahrung Markdorf kreuzen sich zwei Verkehrsströme :
a) der zunehmende 24stündige Transitverkehr München ÷ Basel/Freiburg, der
in Wangen nach Ravensburg abbiegt und dann über Markdorf, Meersburg, Überlingen,
nach Stockach fährt ( siehe LKW-Anteile und –Kennzeichen ) und
b) der Pendler- und Gewerbeverkehr, der fast nur zur Arbeitszeit aus dem
Frickinger-/Salemer Raum nach Friedrichshafen und zurück pendelt ( siehe
die tageszeitbezogenen Verkehrsströme mit einem geringen LKW-Anteil )
Der Engpaß B32-Molldiete-Tunnel südlich Ravensburg wurde am 25.Oktober offiziell
vom Regierungspräsidenten Wicker als vordringlicher Bedarf im neuen Bundesverkehrswegeplan
bezeichnet und gefordert, d.h. dem RegPräs ist diese Strecke sehr wichtig.
Auf der B31 im Bodenseekreis gibt es zu a) zusätzlich noch einige Engpässe,
die dringend beseitigt werden sollen, bzw. die durch Alternativen entschärft
werden sollen. Da ist z.B. das 40 Jahre alte, zweispurige Nußdorfer Viadukt.
Das muß bald grundsätzlich saniert und repariert werden und führt dann zu
einem lang andauernden Verkehrsengpaß. Eine erhöhte Leistungsfähigkeit auf
drei oder vier Spuren ist dann noch nicht dabei, obwohl die B31 an anderen
Stellen 4spurig ausgebaut werden soll. Ein nächster Engpaß nach Westen ist
der unausgebaute B31-Abschnitt Überlingen-Ost bis zum Knoten Andelshofer Weiher/Kogenbach.
Beide Engpässe würden elegant mit einer Hinterlandtrasse gelöst : beginnend
an der Markdorfer Südumfahrung ( Haslacher Hof ), Ortsumfahrung Bermatingen,
Süd- und Nord-Umfahrung Neufrach, Ortsumfahrung Stefansfeld/Weildorf, Westum-fahrung
Rickenbach und über die L200 zum Andelshofer Knoten. Dazu wäre der Bund noch
nicht einmal finanziell direkt betroffen - die Kette dieser Ortsumfahrungen
zahlen andere. Die Seegemeinden wären hoch zufrieden, der Ausbaudruck auf
die B31 wäre abgewiesen.
7. Der Erhaltungsaufwand frisst den Neubauetat auf
Für den Straßen-Erhaltungsaufwand werden in BW je nach Straßenklasse nur noch
19 bis 50% der mindestens erforderlichen Mittel für den Netzerhalt ausgegeben
– bei sinkender Tendenz. Deshalb wird in wenigen Jahren mit erheblichen Schäden
gerechnet, die zu massiven Geschwindigkeits-Reduktionen im untergeordneten
Netz führen werden. Der netto-Neubau-Etat geht gegen Null – Landes- und Gemeindestraßen
werden ruiniert weil das Geld fehlt ! Quelle: Maerschalk/Hitzel, Diagramme
und Schlussfolgerungen bereits in der Studie vom Juni 1999 der Forschungsgesellschaft
für Straßen- und Verkehrswesen FGSV, München und verbal formuliert noch viel
deutlicher in der VDI-Zeitung vom 20.9.02. Aber trotzdem werden statt Sanierungen
immer noch weitere Neubauten geplant !
8. Sinkende Schadstoffbelastung durch KFZ-Abgase
Der absolute PKW/LKW-Schadstoffausstoß nimmt trotz zunehmender Verkehrsleistung
seit Einführung der Katalysator-Technik schnell weiter ab (im Mittel 15-20%
der Werte von 1980). Wir haben heute Luftqualitäten wie etwa 1955. Die Behandlung
von Dieselabgasen bezüglich NOx und lungengängigem PM10-Ruß ist das Problem.
Es wird nach dem Stand der Technik jetzt erst effektiv und in ersten Serienfahrzeugen
angegangen ( LKW´s, Busse, Peugeot ); s. www.zeit.de/2002/50/feinstaub; telefonisch
bestätigter Sachverhalt im Juli 02 durch die Landesanstalt für Umweltschutz,
Karlsruhe. Ab 2005 zieht eine gesetzliche Regelung. Nur die deutschen KFZ-Hersteller
bremsen noch wie weiland beim Katalysator für Ottomotoren. Greenpeace, Wissenschaft
und ADAC sitzen endlich mal in einem Boot und fordern sofortiges Handeln der
Politik.
9. Weniger Lärm durch leisere Reifen und Straßenbeläge
Reifen und Straßenoberflächen könnten viel leiser werden, siehe www.umweltbundesamt.de
und Urteil der Anwohner an der B31 bei Immenstaad mit ihrem neuen Flüsterasphalt
( –3dBA , s. SK aus KW 38/02 ) und z.B. minus 4dBA für Reifen mit dem Prädikat
„Blauer Engel“, der auch noch 30% weniger Rollwiderstand hat. Ab August 2003
gelten neue Reifen-Geräusch-Vorschriften für neue Typen.
10. Weniger Lärm durch Geschwindigkeitsbremsen
Lärmprobleme kann man mit reduzierter Geschwindigkeit bei glatteren, stoßfreien
Straßenoberflächen umweltfreundlicher, schneller und billiger als mit Straßen-Neubau
lösen ( z.B. minus 2,5dBA Mittelungspegel für den Unterschied von 50 auf
30 km/h statt für die gleiche Wirkung eine selten erzielbare Verkehrsmengen-Reduktion
um 50% im Ort und dann den „Rest plus X“ als Ortsumfahrung in der freien Landschaft
gegen gehörigen Aufpreis zulasten der Gemeindekasse); von jedermannfrau nachzurechnen
mit dem internet-Lärmrechner s. http://dalaerm.de. Nach neueren Untersuchungen
gehen die Spitzenpegel sogar um 7 dBA und der Mittelungspegel um 5 dBA herunter,
wenn für eine strikte Einhaltung der Spitzengeschwindigkeiten ( z.B. mit
Rotampeln ) im Ort gesorgt wird ( besonders in der Nacht ) . Bei Rotampeln
( Beispiel Kluftern oder Ailingen ) entfallen mehrheitlich die umweltschädlichen
Stop- und Anfahr-Vorgänge im Ort wenn die Ortskundigen zügig, aber nicht
zu schnell durchfahren. Quelle: sechster Umweltkontrollbericht vom Umweltbundesamt
Oesterreich, UKB 6 2001.
11. KFZ-Lärm -Mittelungspegel sind nicht der reale Lärm
Die Straßenbauer sind aus Kostengründen gehalten, ihren Trassenplanungen die
maximal zulässige Lärmbelastung für die Anwohner zugrunde zu legen ( nach
dem Prinzip „so laut, wie gerade noch zulässig“). Der Wert liegt allerdings
je nach Bebauungs-Klasse tags immer deutlich über 50 dBA. Das ist etwa die
Lautstärke, die Ihnen den Terrassenaufenthalt vermiest, wenn Ihr Nachbar den
Rasen zur Unzeit mäht bzw. wenn Sonntagmittags über Ihnen ein Sportflieger
seine Kreise zieht. Können Sie damit einverstanden sein, wenn es vorher ruhig
war? Bereits weit unter 50 dB(A) Dauerbeschallung durch einen überregionalen
Straßenneubau verlieren Grundstücke in den Augen eines Kaufinteressenten an
Wert. Zur Hörprobe können Sie sich ja einmal oberhalb der L205 zwischen Markdorf
und Bermatingen alltags um ca. 17 Uhr oder bei einem Spaziergang an einem
schönen Sonntagnachmittag das Verkehrsgeräusch beim Anwesen Müller in Wangen
( dem Hof oberhalb der Straße ) anhören – das sind etwa 50dBA. Durch Wettereffekte
( Wind und Temperaturprofile ) kann es noch gehörige Pegelerhöhungen für
die entfernungsabhängige Schallausbreitung bei mehr als 100m Abstand zur
Straße geben, ( siehe www.alpeninitiative.ch/d/larml.html, Bericht Nr.48674
vom Oktober 2001 und eine große Zahl weiterer internationaler Fach-Veröffentlichungen
dazu ). Da wir hier oft Inversionswetterlage haben (Temperaturerhöhung mit
der Höhe über Grund) und in der Regel Westwindlage, treffen die daraus resultierenden
Pegelerhöhungen gegenüber der Berechnungsnorm RLS 90 und den Rechenbeispielen
RBLärm-92 der Straßenbauer, die für Standard-Mittelungspegel verwendet werden,
nicht den Bermatinger Sachverhalt bei ausgeprägten Wetterlagen.
12. Lärm für alle und das ganze Tal
Das RegPräs schreibt selbst in der Umwelt-Verträglichkeits-Studie (UVS) zum
Raumordnungsverfahren Planfall 7, Seite 413 und dort zur Trassenvariante 2a
( das ist bei uns die Linie der Ortsumfahrung und auch mehrheitlich die der
alten Autobahntrasse A98 ): “... Allerdings stellt die dargestellte Lärmbelastung
bis 54 dBA nur einen Teil der Wahrheit dar, da – bedingt durch die
Lage der Trasse in weithin offener Landschaft – eine erhebliche diffuse
Verlärmung benachbarter topografisch zugeordneter Bereiche stattfindet. "... Möglichkeiten der Lärmminderung sind kaum gegeben" ist das klar und deutlich genug ausgedrückt? Es wird also in Kauf genommen, dass bei geringer Lärmreduktion im Ort die ganze Landschaft verlärmt wird! Service am Transit zu unseren Lasten?
13. Straßenbau keine Antwort auf Verkehrsprobleme
„Straßenbau löst nachweislich keine Verkehrsprobleme“; s. Broschüre des Umweltbundesamtes
„Auto und/oder Umwelt“ mit Diagramm auf Seite 25. Danach ist gegenüber der
BRD-Situation im Industrieland Großbritannien nur etwa 30% der Fläche mit
Verkehrsinfrastruktur verbaut und in Österreich 15%. Diese Länder haben auch
Verkehrsprobleme, aber auf einem um Faktoren niedrigeren Niveau der Flächenausnutzung.
Auf Straßenbauämtern sitzen keine Verkehrsplaner – diesen Mangel sehen Sie
als Ergebnis im Bodenseekreis: Neubauten am See schieben die Stau´s nur hin
und her. Die Ost-West-Transversale hätte in den 60er Jahren zwischen Engen
und Memmingen ( B311 ) geplant werden müssen - statt der aus ökologischen
Gründen verworfenen und viele Jahre bekämpften Bodenseeautobahn A98 in Seenähe.
Siehe zu der alternativen Korridorsuche auch die gemeinsame Studie der vier
Regionalverbände von 1992, (Bender und Stahl, Stgt.) und die wiederholten
öffentlichen Ausführungen des MdB Bindig als langjähriges Verkehrsausschuß-Mitglied
im Bunderstag. Inzwischen ist auch ein solcher Neubau undenkbar geworden.
14. Tote und Verletzte als Ergebnis von hoher Geschwindigkeit
Nach umfangreichen gemeinsamen Untersuchungen der ETH Zürich und der Winterthur-Versicherung
in den 90er Jahren hat sich herausgestellt, dass die Unfallhäufigkeit mit
dem Quadrat der Durchschnittsgeschwindigkeit steigt (z.B. 100% bei 40 km/h
aber schon 225% bei 60 km/h ) und dass die Zahl der Verkehrstoten etwa mit
der 4.Potenz steigt ( im Beispiel 500% höheres Todesrisiko bei Unfall mit
60 km/h ).
15. Überproportionale Flächenverluste im Bodenseekreis
Straßenbau-Flächenverluste in der Natur werden nicht mehr ausgeglichen, oder
ist Ihnen auch nur eine einzige aufgelöste, überflüssige Straße im Bodenseeraum
bekannt ? Erst langsam denken die Verwaltungen über Abwidmungen wie beim Beispiel
„Fähre Meersburg bis Unteruhldingen“ (B31alt) nach. Der Bodenseekreis hat
seit vielen Jahren eines der dichtesten Straßennetze in der EU ohne dass seine
Verkehrsprobleme nachhaltig gelöst wären. In BW liegt der Bodenseekreis direkt
nach den großstädtisch geprägten Räumen Stuttgart bis Heilbronn an 7. Stelle
von 44 Kreisen in der Flächenzerschneidung! BW gesamt hat dagegen nur ein
Drittel der vergleichbaren Straßendichte. Nur 3,8 km² unzerschnittene Fläche
liegt im Bodenseekreis noch im Mittel zwischen Straßen. Quelle: www.ta-akademie.de
( Akademie für Technikfolgeabschätzung BW ). Und wieder zeigt sich : Straßenbau
allein löst offenbar keine Verkehrsprobleme !
16. Risikoreiche Abhängigkeit von Importenergie
Die Bundesrepublik war 1999 mit steigender Tendenz zu 74% von Importenergie
abhängig, 1950 waren es 6% und 1970 schon 56% ( Quelle: Stat. Bundesamt,
Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen ). Heute sind es schon 80%. Ahnen Sie,
wie empfindlich unsere Volkswirtschaft auf externe Versorgungsengpässe reagieren
wird – und besonders der Verkehrssektor? Ist es nicht sinnvoll, unabhängig
von Partei- und ADAC-Wünschen unser Rohöl schluckendes Verkehrssystem radikal
umzustrukturieren – und zwar zulasten des Individual- und Straßengüter-Verkehrs
?
17. Rohölprodukte verteuern sich rapide
Mineralölprodukte werden in den nächsten 15 Jahren rasant teurer wegen natürlicher
Förderrückgänge bei den Lieferanten. In dieser Dekade kulminiert die technisch
und geologisch absolut mögliche Förderrate für Rohöl bei einem international
weiterhin steigendem Bedarf von +2,5% im Jahr . Seit Anfang der 80er Jahre
wird mehr Erdöl verbraucht, als neue Recourcen gefunden werden. Das phänomenale
Angolafeld reicht z.B. auf den weltweiten Verbrauch bezogen gerade einmal
10 Tage – und die Funde in Kasachstan auch nur für einen einzigen Welt-Jahresbedarf.
5% Verknappung führt bei wichtigen Wirtschaftsgütern anerkannt zu ca. 300%
Preiserhöhung. (ein Beispiel von vielen : 4% Stromverknappung in Kalifornien
führten 2001 zu 280% Preiserhöhung ). Es wird das Verkehrsaufkommen zurückgehen
und die Fahrzeuge werden aus Kostengründen zugunsten der Umwelt sparsamer,
leichter und leiser. PrivatmannFrau wird weniger fahren und die unsinnig subventionierten
LKW-Frachtbewegungen mit 30-40% Leerfahrten quer durch Europa gehen schnell
zurück. siehe a) www.energiekrise.de der Ludwig Bölkow Stiftung mit sehr
glaubwürdigen, excellenten und aktuellsten internationalen Literaturquellen
und b) von Campbell in „Internationales Verkehrswesen“ Heft 11, 2001.
18. Klimaschutz bremst KFZ-Nutzung
Lange ehe sich die fossilen Energiequellen ( Öl, Gas und besonders Kohle )
erschöpfen, greift bereits die Erkenntnis, dass die Aufnahmefähigkeit der
Atmosphäre für klimarelevante Gase begrenzt ist. Die weltweit zunehmenden
Wetterextreme mit hohen volkswirtschaftlichen Schäden werden zu scharfen politischen
Eingriffen führen und auch an unserem bisherigen KFZ-Einsatz für alles und
jedes rütteln ( über 50% Freizeitverkehr, 2/3 unter 10 km Entfernung/Fahrt
und das in der Regel mit nur einer Person im Fahrzeug ).
19. Krieg um Öl
Zur Zeit werden Kriege mehrheitlich um Öl und Trinkwasser geführt. Ist es
sinnvoll, dass wir dafür unsere Volkswirtschaften mit hohen Rüstungsausgaben
belasten und unsere Söhne in den Nahen Osten schicken, nur damit das auslaufende
Ölzeitalter noch 3-5 Jahre länger gesichert wird. Wir sind bei der Mobilität
und dem allgemeinen Lebensstandard so abhängig vom Öl, dass sich wie bei einem
Drogen-Junkie im Mangelfall alle moralischen Hemmungen lösen und wir unter
den Schwindel-Etiketten „Menschenrechte“ und „Terrorismusbekämpfung“ als
Vasallen der USA in Kriege gezwungen werden können. Die Alternativen zu „Blut
für Öl“ lauten : Effizienzsteigerung beim Energieverbrauch und Weiterentwicklung
und Einsatz der Regenerativen Energien, wie sie im 670seitigen Endbericht
der Enquete-Kommission im Juli 2002 an den Deutschen Bundestag für den Zeitraum
bis 2050 fachkundig beschrieben wurden ( s. Bundestagsdrucksache 14/9400
für JedermannFrau per Telefonanruf zu ordern, s. S. 208-232 allein zum Verkehr
).
20. Risiko Trinkwasser
Straßenbaumaßnahmen im bestehenden Wasserschutzgebiet, neben der geschlossenen
alten Kreismülldeponie und in der Nähe des Bermatinger Tiefbrunnens gefährden
sofort und mittelfristig auf´s höchste unsere Trinkwasserversorgung ( s. UVS
zum Planfall 7, Karte 8 und Text ). Sollte die Ortsumfahrung (= Teil einer
Hinterlandtrasse) dann einmal fertig sein, wird diese Gefahr noch durch Unfälle
mit Gefahrgut-Fracht gesteigert. Die Alternative ist dann eine Versorgung
mit ( teurerem ? ) Bodenseewasser. Damit kommen wir erst richtig in die Bredouille
mit dem Trinkwasser : erst seit wenigen Jahren ist bewiesen, dass homöopathische
Dosierungen von Insektiziden, Pflanzenschutzmitteln, großen Mengen Veterinärpharmaka,
in WC´s entsorgte bzw. ausgeschiedene Medikamentenrückstände wie z.B. Hormone
aus Antibabypillen und Blutfett-Senkern - die fast alle unbehandelt in großen
Mengen durch die Kläranlagen schwimmen - den Bodensee zu einem Pharma- und
Hormon-Cocktail erster Ordnung machen. Dazu gehören noch Pestizide und Kohlenwasserstoffe.
Die teuflische Wirkung auf die Entwicklung der Kinder im Mutterleib, die Langzeit-Effekte
auf intellektuelle Fähigkeiten, Verhaltensänderungen durch beeinflussten
menschlichen Hormon-Stoffwechsel, die negativen Wirkungen auf unser Immunsystem,
die Gentoxizität und die Fortpflanzungsorgane in der Pubertät und bei Erwachsenen
werden in zunehmendem Maße Gegenstand für Doktorarbeiten der Umwelttoxikologie.
Bei den Bodenseewasser trinkenden Gemeinden gibt es gehäuft Unfruchtbarkeit
bei jungen Paaren. Das alles spielt sich weit unterhalb anerkannter Giftkonzentrationen
und im Bereich jetzt erst möglicher Nachweisgrenzen und darunter ab! So kann
sich überflüssiger Straßenbau auch auswirken. Rückfragen beim Institut für
Umwelttoxikologie der Universität Konstanz, Prof. Dietrich oder siehe www.bund.net
( Arbeitskreis Wasser). Wann werden in den regelmäßigen Berichten über die
Trinkwasserqualität neben den rein chemischen Zusammensetzungen auch die
bereits messbaren biologischen Wirkungen analysiert? Danach wären wir in
Bermatingen mit unserem heute nur harten Grundwasser noch gut bedient. Achten
Sie deshalb besonders auf die Schutzvorkehrungen der Straßenbauer für die
Grundwasserreserven im Salemer Tal.
21. Bedeutung des Bermatinger Bürgerentscheids
Ein Bürgerentscheid bindet nach der Baden-Württembergischen Gemeindeordnung
die Verwaltung und den Gemeinderat nur 3 Jahre. Danach kann der Gemeinderat
zur gleichen Sache wieder selbst entscheiden. D.h., der Bürgerentscheid zur
Ortsumfahrung ist weit weniger wert, als Ihre Abstimmung bei der nächsten
Gemeinderatswahl 2004. Dort entscheiden Sie zwar indirekt, aber doch sehr
wirkungsvoll, ob und wie eine dritte Ortsdurchfahrt gebaut und ausgestaltet
wird. Ein Planfeststellungsbeschluß zu einem Straßenneubau kann sehr stark
durch den Willen der betroffenen Gemeinde beeinflusst werden! Diesen Willen
formuliert der Gemeinderat als Auftraggeber an seine Gemeindeverwaltung. Bis
eine Ortsumfahrung nach 2010 befahrbar sein kann, wird es noch zwei Gemeinderatswahlen
(2004 und 2008) und eine Bürgermeister-Wieder- bzw. Neuwahl (2009) geben.
Gehen Sie trotzdem unbedingt zum Bürgerentscheid, denn wer demokratische Rechte
nicht wahrnimmt, hat sie aus Erfahrung bald verloren. Eine zu geringe Wahlbeteiligung
gibt die Entscheidung sofort wieder zurück an den amtierenden Gemeinderat.
Und wie der ohne jede Detailkenntnis und Kenntnis der o.a. Zusammenhänge bereits
im Februar 2001 in einer Resolution beschlossen, hat Dr. Jany, CDU-Fraktion
dann im April 2001 im Kreistag verkündet : pro Ortsumfahrung Bermatingen.
Seit diesem April 2001 wuchs eine brisante Fragenliste der Bürgerinitiative
an die Verwaltung auf über 60 Fragen an, von denen bis Ende 2002 keine einzige
beantwortet oder öffentlich erörtert wurde. Wird so Bürgernähe zu einer „Wichtigen
Gemeindeangelegenheit“ praktiziert?
Auch auf den o.a. Hintergründen muß Straßen-Neubau diskutiert werden. Es kann
nicht sein, dass wir uns dem kurzfristigen Denken von Politikern und Eigennutz-optimierenden
LKW-Lobbyisten bzw. fortbildungsunwilligen Gemeinderatsgremien unterwerfen.
Nachweislich wird seit 24 Monaten die öffentliche Diskussion zur 3.Ortsdurchfahrt
Bermatingen/Ahausen am Rathaustisch gescheut. Ist nur der Geldmangel noch
die Rettung für die Landschaft, oder schaffen wir es auch mit dem Verstand?
Straßen-Infrastruktur wirkt sich auf Generationen aus. Das Ende der heute
praktizierten Mobilität für Personen und Fracht mit z.B. übergroßen (Pseudo-Gelände-
) PKW´s und überflüssigen Frachtbewegungen über die Straße statt auf dem
vernachlässigten Schienennetz zeichnet sich bereits deutlich ab. Und da lassen
wir wider besseres Wissen immer noch überflüssige Straßenbauplanungen mit
weniger als einem Kilometer Abstand zueinander durch die Landschaft zu, Straßen
die frühestens in 10 Jahren befahrbar sein werden? Das Geld für unsere Verkehrs-Infrastruktur
ist an anderer Stelle sicher besser angelegt.
Wenn unsere Städte und Dörfer entlastet werden sollen, wir die individuelle
Mobilität erhalten wollen und Personenverkehrs- und Frachtströme gelenkt werden
sollen, ja dann sind ganz neue Denkmuster nötig. Bis dahin muß der Straßen-Neubau
eingefroren werden und der Bürger muß sich in der Diskussion um die Alternativen
beteiligen können. Wie für jeden erkennbar, schieben die Straßenbauer
im Bodenseekreis nur die Stau´s von einem Ende zum anderen und bedienen den
Transitverkehr. Der Landschaftsschutz bleibt damit auf der verwüsteten Strecke.
Glauben Sie ernsthaft, dass das Transit-Verkehrsaufkommen stagniert, wenn
wir ihm bessere Straßen anbieten? Es ist im Gegenteil so, dass dieser Transitverkehr
sofort jede neue Möglichkeit für Ost-West-Bewegungen im EU-Gebiet nördlich
der Alpen annimmt - und auch diese neuen Straßen wiederum überlastet (Beispiele
unter vielen : Pfändertunnel und Alb-Aufstieg zwischen Stuttgart und Ulm).
Das blüht dann auch der aus „Kreisstraßen-Ortsumfahrungen“ zusammengesetzten
Hinterland-Trasse als Parallelzug zur B31 am See - von Überlingen-Kogenbach
bis Friedrichshafen-West !
Die Linie und der bekannt gewordene Standard der aneinander gereihten, bisher
geplanten Ortsumfahrungen "FN-West, Kluftern, Markdorf, Bermatingen
und Neufrach" sprechen schon eine deutliche Sprache. : In Neufrach
wird z.B. im zweiten Planfeststellungsverfahren dieser Kette eine sehr schwerlastfreundliche
Bahnunterführung mit 15,6 m lichter Weite und 4,5 m lichter Höhe neben einem
40m-Kreisel geplant ; in Markdorf propagiert das Straßenbauamt einen zweispurigen
90m-Kreisverkehr für ca. 50 000 Fahrzeugbewegungen/Tag und die B31-FN-West
soll 4 spurig mit einer Tunnelverdoppelung am Riedlepark ausgebaut werden.
Zwischen Schnetzenhausen und Eichenmühle geht es dann einmal durch Kluftern
in das Hinterland und einmal nach Immenstaad weiter. So wird dann die Aussage
des Straßenbauamtes nachvollziehbar, dass ohne den gleichzeitigen Ausbau der
B31 als Planfall 7.5 die gemeinsame Ortsumfahrung Markdorf/Bermatingen nach
wenigen Jahren mit über 20 000 Fahrzeugen überlastet sei.
Meinen Sie nicht, dass es an der Zeit ist, dass den Bermatinger/Ahauser Bürgern
alle Gesichtspunkte einer dritten Ortsdurchfahrt bekannt gemacht werden sollten
? Eine Stunde Vorstellung durch das vom RegPräs geführte Überlinger Straßenbauamt
im DGH kann das anlässlich einer einsamen Bürgerinformation im März nicht
leisten. Setzen Sie sich dafür ein, dass es ein Forum in Bermatingen gibt,
in dem diese „Wichtige Gemeindeangelegenheit“ öffentlich erörtert werden kann.
Sie ahnen doch selbst, wie lange es noch dauern wird, bis das Thema qualifiziert
entscheidungsreif ist.
„Jürgensmeyer arbeitet mit den Ängsten der Bürger“ wurde mir von Dr.Jany,
CDU vorgeworfen. Wo bleiben die vermeintlich besseren Argumente der Straßenbau-Lobbyisten
? Ich glaube, weil sie sich nicht sachkundig genug machen, haben sie keine
oder sie wollen unter Ausschluß der Öffentlichkeit so umweltschädlich weiterwirken
wie bisher. Ein seriöses Argumentationsniveau sollten die Straßenbaufreunde
selbst in der Kontroverse nicht verlassen, andernfalls werden die bisher zu
hörenden Biertischmeinungen zu ihrem Nachteil in den Bürgerentscheiden von
Bermatingen und Markdorf wirken.
Falls Sie meine Sammlung nachdenklich gemacht haben sollte, bitte ich Sie
um Weitergabe und/oder Diskussion mit Freunden und Bekannten oder bitte auch
Kritik zurück an mich.
W.Jürgensmeyer, tel. 07544 – 9121-38; bobjuergensmeyer@aol.com